In der Mitte lauert gefährlich und doch selbst verwundbar, mit hervorstechenden Augen, mager um die zum Sprung gespannten Schultern, hohl um die Lefzen, der Wolf. Sein Rücken und der lange Schwanz bilden eine gespannte Gerade, die jederzeit pfeilschnell nach vorne schießen könnte.

Konrad Mätzig hat die 16-teilige Installation „Wolfsblut" 1997 aus im Wald gefundenem Holz gefertigt, das blasse Blanke der rindenlosen Flanken wird nur hier und da unterbrochen von einem blasswangigen Rot, das die Male und Verwundungen der Tiere anzeigt.

Diese Gruppe ist ein Teil der Ausstellung von Mätzigs „Lebens-Werk" im Alten Rathaus in Göttingen, organisiert vom Fachdienst Kultur der Stadt. Die gezeigten Arbeiten des Künstlers, der am 8. Mai seinen 70. Geburtstag feiert, reichen zurück bis in die frühen 1960er Jahre. Für die Besucher entrollt sich eine ausgedehnte, gut nachvollziehbare Entwicklung, die nach Maurerlehre, Mal- und Zeichenschule München, Werkkunstschule Kassel und Meisterschülerschaft bei Prof. Arnold Bode zunächst nahe zeitgenössischer Entwicklung verläuft.

Dunkel rinnt „Vegetatives auf Braun" im Gestus des Informel 1963 über den großzügig strukturierten Bildgrund, Antoni Tàpies Farben und Formen sind nahe, die großen Füße beim „Liebespaar" von 1964 verweisen auf Horst Antes. Der Malerei fügt Mätzig in den 70er Jahren Objekte bei, spannt Gegenstände in den Rahmen, Holz, Fragmente, gießt Beton dazu. Später ist Jute, Leinen, Lehm, sind Steine und Eisen dabei. Dem Bild stehen längst Plastiken gegenüber. Mätzig hat seine Autonomie gefunden.

Es sind die großen Mythen und griechischen Sagen, Ovids Metamorphosen, die Odyssee, Daphne, Europa, Leda, Minotaurus, Ikarus, die sich in den der Natur abgerungenen oder in ihr wiederkehrenden Formen spiegeln. Zudem sind Motive aus Märchen zu sehen, inspiriert von afrikanischer Kunst, dann wieder ein Langboot, dort ein schwarzer Halbmond und der rote fünfzackige Stern - vor allem sind daneben jedoch die privaten Mythen und Leidenschaften, die sich im Leben finden, gezeigt. Zwischen all dem Zeichnungen. Farbstiftzeichnungen, auch collageartig, von liegenden, tanzenden, sitzenden Körpern, und, ganz klassisch, mit schöner Handschrift, präzise, Florenz, Assisi.

Wie vielgestalt das immerwährende Schaffen Mätzigs ist, zeigt diese Ausstellung mit mehr als 120 Exponaten in ihrer Breite einer jahrzehntelangen Tätigkeit. Abseits der rauen Formen, die in ihrer natürlich nur vermeintlichen Unmittelbarkeit Mätzig in Wald und Feld begegnen, die er mitnimmt in seine Werkstatt, die „die eines Bauern von vor 100 Jahren ist", so Kritiker Ludwig Zerull, und den früheren, suchenden, eindringlichen Arbeiten, stehen neuerdings lieblichere, in ihrer Ornamentalität und offensiven Narrativität zierliche Motive gegenüber. Die reizvolle Grobheit und poetische Archaik scheint gezähmt. Die neuen Ebenen von Grund, Rahmen, astgabelndem Federschmuck, treffen sich doch erstaunlicherweise als schlösse sich ein Kreis, in der formalen Zartheit und Farbigkeit mit den ganz frühen Radierungen.
Werkstatt „eines Bauern von vor 100 Jahren"

Artikel zur Ausstellungseröffnung im Göttinger Tageblatt vom 17.02.2010
Ausstellung "Lebens-Werk"
Konrad Mätzig
Bilder - Skulpturen - Zeichnungen
Von Tina Luers
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Wie Opfertiere liegt seine Beute im Kreis um den Wolf herum. Aufgerissen ihre Bäuche, Fleisch schaut hervor, Knochen. Wahllos und ohne Mitleid sind sie geraubt, kleine Hasen, vielzitzige Mutterziegen, hier fehlt ein Kopf, dort eine Pfote.
Furchteinflößend:
Konrad Mätzig's Wolf mit seiner Beute
© Heller
© Sabine Mischke
© Sabine Mischke
© Sabine Mischke
© Sabine Mischke
© Sabine Mischke
© Sabine Mischke